Die letzte Chipstüte: Dürfen Lebensmittel vorm Bezahlen aus einem Einkaufswagen „geklaut“ werden?

Lesezeit: 3 minSonstiges
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Milch, Windeln, Klopapier: Einige Dinge sind im Supermarkt besonders beliebt und schnell aus den Regalen vergriffen. Dürfen Sie sich an fremden Einkaufswagen bedienen?

Das Wichtigste in Kürze:

  • Wer im Supermarkt etwas in seinen Einkaufswagen legt, ist zwar noch nicht Eigentümer:in der Ware, wohl aber Besitzer:in.

  • Eigentümer:in wird man erst an der Kasse mit dem Bezahlvorgang.

  • Als Besitzer:in haben Sie nach dem Gesetz bestimmte Rechte. So dürfen Sie sich beispielsweise gegen das ungefragte Bedienen an Ihrem Einkaufswagen wehren.

Griff in den fremden Einkaufswagen: Ist das erlaubt?

Wer kennt die Situation nicht: Am späten Abend geht es schnell noch mal in den Supermarkt, um Milch für das morgendliche Müsli zu besorgen. Aber das Regal ist leer. Oder: Der Lieblingsladen bietet ein ordentliches Sale an. Sie strecken gerade Ihren Arm zu einem stark reduzierten Shirt aus, da greift jemand neben Ihnen danach – und legt es sich in den Einkaufskorb. Sie überlegen kurz: Darf ich das da wieder rausnehmen?

Die (leider) klare Antwort: nein, dürfen Sie nicht. Sie begehen damit nämlich eine sogenannte verbotene Eigenmacht (§ 858 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Denn die- bzw. derjenige die/der sich das von Ihnen begehrte Teil – sei es Shirt oder Milch – in ihren/seinen Einkaufswagen oder ihren/seinen -korb gelegt hat, hat damit Besitz an der Sache begründet. Sie dürfen diesen Besitz nicht einfach wieder zerstören. Dagegen darf sich die bzw. der Besitzer:in nämlich (handfest) wehren.

Besitzer, aber kein Eigentümer – Geht das?

Jurist:innen trennen zwischen Eigentum und Besitz. Sie können Eigentümer:in sein, aber kein(e) Besitzer:in. Oder Sie sind Besitzer:in, aber kein(e) Eigentümer:in. Im besten Fall sind Sie beides.

Aber auch der/dem Besitzer:in stehen nach dem Gesetz bestimmte Rechte zu. Das sind andere als die Eigentumsrechte. Die Unterscheidung ist also wichtig.

Legt jemand im Supermarkt ein Teil in seinen Einkaufswagen, begründet sie/er damit Besitz, genau genommen ist es unmittelbarer Fremdbesitz. Die/der Ladeninhaber:in bleibt mittelbarer Eigenbesitzer sowie – und das ist das Wichtige - Eigentümer:in an der Sache.

Eigentümer:in bleibt die/der Supermarktinhaber:in so lange, bis das Teil an der Kasse bezahlt wird.

Übrigens: Einen Diebstahl begehen Sie mit dem Griff in den fremden Einkaufswagen nicht. Denn bis zum Bezahlen an der Kasse fehlt es der/dem Besitzer:in am Gewahrsam.

Selbsthilferecht des Besitzers

Mit dem Besitz stehen bestimmte Rechte der/dem Besitzer:in zu. Eines davon ist das Selbsthilferecht der Besitzerin/des Besitzers (§ 859 BGB).

Mit dem Selbsthilferecht darf die/der Besitzer:in sich gegen die Wegnahme wehren bzw. die Sache wieder zurückholen. Das tut sie/er, ohne sich damit strafbar zu machen.

Schreien, Schlagen, Kneifen: Was ist erlaubt?

Nach dem Gesetz darf sich die/der Besitzer:in „verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren“.

Wird die Sache gerade weggenommen, darf man sich dagegen verteidigen – notfalls mit Gewalt. Ebenfalls darf man die Sache zurückholen, wenn sie bereits weggenommen worden ist. Auch hier darf Gewalt angewendet werden. Aber es gibt Grenzen.

Gegenwehr muss angemessen sein

Ob wüste Beleidigungen oder ein handfester Streit: Es kommt immer darauf an, dass die Reaktion auf den Griff in den Einkaufswagen noch verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die/der andere durch die Gegenwehr so gering wie möglich beeinträchtigt wird. Aber die Reaktion sollte dennoch effizient sein, dh., es sollte eine reale Chance bestehen, dass die Sache dadurch bei der/dem Besitzer:in bleibt bzw. wieder zu ihr/ihm zurückkehrt.

Wird das Selbsthilferecht überschritten, macht man sich mitunter schadensersatzpflichtig, beispielsweise, wenn die oder der andere durch die Handlung körperlich zu Schaden kommt.

Welche Reaktion auf den Griff in den Einkaufswagen angemessen ist, ist immer eine Frage des Einzelfalls. Als Faustformel (bitte nicht wortwörtlich verstehen) eignet sich:

  1. 1.

    so gering wie möglich,

  2. 2.

    so nützlich wie nötig.

Anna Kristina Bückmann

Anna Kristina Bückmann

Mit ihrem Fachwissen als Volljuristin beantwortet sie für meinrecht.de die alltäglichen Rechtsfragen unserer Leser:innen.

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