Welche Ausnahmen gibt es von der Schweigepflicht?

Von Lilly KeymelLesezeit: 4 min20.05.2025
Eine Therapeutin sitzt mit einem Schreibblock ihrer erzählenden Klientin gegenüber. ©Vadim Pastuh - AdobeStock

Ärzt*innen, Psycholog*innen, Anwält*innen: Bestimmte Berufsgruppen unterliegen der Schweigepflicht. Geben sie Informationen weiter, machen sie sich strafbar. In manchen Fällen dürfen sie ihr Schweigen aber brechen – manchmal müssen sie es sogar.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Schweigepflicht schützt die Weitergabe privater Informationen.

  • Wird die Schweigepflicht gebrochen, macht man sich strafbar.

  • Es gibt Ausnahmen von der Schweigepflicht.

Was ist die Schweigepflicht?

Die Schweigepflicht schützt das Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und bestimmten Berufsgruppen wie Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen und Anwält*innen. Denn bestimmte Informationen, die sie den entsprechenden Personen offenbaren, sollten nicht weitergegeben werden.

Sowohl straf- als auch zivilrechtlich lässt sich die Schweigepflicht begründen: Zum einen ergibt sich die Verpflichtung aus § 203 des Strafgesetzbuchs (StGB)). Dieser droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe dafür an, dass Privatgeheimnisse weitergegeben werden.

Zivilrechtlich kann sich die ärztliche Schweigepflicht zum Beispiel aus einem Behandlungsvertrag zwischen dem Arzt oder der Ärztin und seinen Patient*innen ergeben. Eine schriftliche Erklärung über die Schweigepflicht ist nicht nötig – die Pflicht ergibt sich automatisch aus der Berufsordnung. Darauf können Sie als Patient*in vertrauen.

Wer unterliegt der Schweigepflicht?

Der Schweigepflicht unterliegen:

  • Heilberufe: Ärzt*innen, Zahnärzt*innen, Tierärzt*innen, Apotheker*innen

  • Psycholog*innen

  • Rechtsanwält*innen

  • Wirtschaftsprüfer*innen

  • Steuerberater*innen

  • Ehe-, Familien, Erziehungs- oder Jugendberater*innen

  • Sozialarbeiter*innen

  • Mitarbeiter*innen privater Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherungen

Was unterfällt der Schweigepflicht?

Die Schweigepflicht gilt für alles, was verpflichtete Personen anvertrauen – mündlich und schriftlich. Bei der ärztlichen Schweigepflicht zählt dazu bereits der Arztbesuch an sich.

Darüber hinaus unterfallen Krankendaten und Informationen der Schweigepflicht, die Sie dem Arzt oder der Ärztin anvertraut haben. Auch Beobachtungen von Ärzt:innen bei Hausbesuchen gehören dazu.

Die anwaltliche Schweigepflicht umfasst ebenfalls alles, was der Anwalt oder die Anwältin durch ihre Mandant*innen erfahren haben.

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Des Weiteren sind Sozialarbeiter*innen zum Beispiel dazu verpflichtet, ihnen anvertraute Geheimnisse aber auch generell personenbezogene Tatsachen für sich zu behalten.

Die Schweigepflicht wird verletzt, wenn es zu einer Offenbarung eines zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisses oder eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses kommt. Sprich: wenn eine verpflichtete Person eine Information weitererzählt, die der Schweigepflicht unterfällt.

Wann darf ein Arzt seine Schweigepflicht brechen?

Insbesondere im Alltag von Ärzt*innen können Ausnahmen von der ärztlichen Schweigepflicht gemacht werden. So zum Beispiel, wenn Informationen zum Zwecke der Behandlung im Praxisteam weitergegeben werden.

Darüber hinaus können Patient*innen in die Weitergabe von personenbezogenen Daten einwilligen. Man spricht hier auch von einer sogenannten Schweigepflichtentbindungserklärung.

Beachten Sie: Die Einwilligung in die Weitergabe von Daten muss auf dem freien Willen der Patient*innen beruhen. Sie müssen genau wissen, zu welchem Zweck die Informationen weitergegeben werden. Zu Beweiszwecken sollten Sie die Einwilligung schriftlich festhalten. Sie kann von den Patient*innen jederzeit widerrufen werden.

Mordpläne? Was darf trotz Schweigepflicht gesagt werden?

Ärzt*innen, Therapeut*innen und Co. verstoßen auch dann nicht gegen eine Schweigepflicht, wenn eine sogenannte Offenbarungspflicht besteht. Eine solche ergibt sich unter anderem aus § 138 StGB.

Danach sind sie zur Anzeige verpflichtet, wenn sie von der Planung besonders schwerer Straftaten, den sogenannten Kapitalverbrechen, erfahren. Wichtig ist, dass der Ärztin oder dem Arzt entsprechende Informationen über eine solche Straftat persönlich mitgeteilt worden sind.

Eine Therapeut*in darf zum Beispiel die Polizei informieren, wenn ihr oder ihm eine Patient*in Mordpläne anvertraut. In solchen Fällen darf die Schweigepflicht gebrochen werden. Vielmehr können sogar strafrechtliche Konsequenzen drohen, wenn in einem solchen Fall die Behörden nicht informiert werden.

Übrigens: Bei der Beichte gilt das strenge Beichtgeheimnis. Hier dürfen auch gestandene Mordtaten nicht weitererzählt werden.

Offenbarungsrecht im Fall der Kindeswohlgefährdung

Kommen zum Beispiel Ärzt*innen oder Sozialarbeiter*innen zu der Annahme, dass das Wohl eines Kindes in Gefahr sein könnte, kann auch eine Ausnahme von der Schweigepflicht gemacht werden.

Relevante Informationen dürfen in einem solchen Fall an das Jugendamt weitergeben werden (§ 4 Abs. 3 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz).

Tipp für betroffene Berufsgruppen: Sollten Sie sich unsicher sein, ob etwaige Informationen der Offenbarungspflicht unterfallen oder tatsächlich nicht weitergegeben werden dürfen, können Sie eine Vorabeinschätzung bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft einholen. Sie können dazu den Fall ohne die Nennung personenbezogener Daten schildern.

Weitergabe zur Abwehr von Gefahren

Die Schweigepflicht darf auch dann gebrochen werden, wenn dies zur Abwehr anderer Gefahren erforderlich ist. Zur Veranschaulichung folgendes Beispiel:

Ein Mann ist wegen einer Krankheit nicht mehr in der Lage, sein Auto zu fahren. Sein Arzt musste davon ausgehen, dass der Patient trotzdem am Straßenverkehr teilnimmt und so andere Verkehrsteilnehmer*innen gefährden könnte. Der Bundesgerichtshof (BGH) nimmt in einem solchen Fall an, dass der Schutz der Verkehrsteilnehmenden das Interesse des Patienten an der Geheimhaltung seiner Fahruntüchtigkeit überwiegt. Der Arzt durfte die Polizei hierüber also informieren und seine Schweigepflicht brechen (AZ: VI ZR 168/67).

BGH: Krankenhaus durfte Adresse eines Patienten mitteilen

Im Jahr 2012 fragte ein junger Patient beim Krankenhaus nach der Anschrift eines anderen Patienten. Dieser hatte ihn zuvor so verletzt, dass er sich den Arm brach. Der Junge möchte nun seine Ansprüche gegen den Schädiger geltend machen.

Der BGH sah in der Auskunft über die Adresse des Patienten keinen Verstoß gegen die Schweigepflicht des Krankenhauses. Die Adresse durfte dem Jungen also mitgeteilt werden (AZ: III ZR 329/14).

Fazit: Nicht alles unterliegt der Schweigepflicht – aber vieles

Als Patient*in oder Mandant*in haben Sie ein Recht darauf, dass besonders vertrauliche Informationen nicht weitergegeben werden und Sie diese Ihrer Ärzt*in oder Ihrer Therapeut*in ruhigen Gewissens anvertrauen können – dieses Vertrauen ist notwendig für ein offenes und ehrliches Gespräch.

Ärzt*innen und andere, der Schweigepflicht -unterliegende Berufsgruppen, müssen stets achtsam mit personenbezogenen Daten und vertraulichen Informationen umgehen. Es sei denn, sie haben Wissen über ein strafrechtlich relevantes Verhalten.

Sonstiges
Lilly Keymel

Lilly Keymel

Steht kurz vor dem ersten juristischen Staatsexamen und hat schon zu Schulzeiten großen Gefallen am Recherchieren und Schreiben gefunden. In juristischen Themen ist sie zu Hause und ergänzt damit perfekt das Autor:innenteam von MEINRECHT.

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